Das digitale Support System für agiles Lernen
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Zusammenfassung
Ein agiles Lernprojekt wird üblicherweise neben der regulären Arbeit durchgeführt und steht daher unter einem hohen Ressourcendruck. In diesem Kapitel werden pragmatische Lösungen für digitale Tools zur Reduktion von Kommunikations- und Kollaborationsverlusten dargestellt. Der Fokus des Kapitels liegt dabei auf der beispielhaften Darstellung einiger Lösungen und der Ausarbeitung von Entscheidungskriterien für Personen, die sich in der Situation sehen, für ein (agiles) Projekt eine Begleitinfrastruktur aufzubauen.
Ein agiles Lernprojekt wird üblicherweise neben der regulären Arbeit durchgeführt und steht daher unter einem hohen Ressourcendruck. Selbst wenn die Ressourcen für das Lernen vorab gut geklärt und freigegeben wurden – das Tagesgeschäft ist mitunter dynamisch und hat im Zweifel oft Vorrang. Um diesen Ressourcendruck nicht durch unnötige Koordinations- und Kommunikationsverluste zu erhöhen, ist es wichtig, eine funktionale, zuverlässige und möglichst niedrigschwellige Kommunikations- und Kollaborationsstruktur bereitzustellen.
Eine solche Struktur sollte vor allem pragmatisch dem Zweck dienen, allen Beteiligten den Fokus auf das eigentliche Erlernen neuer Kompetenzen zu erlauben und ihnen im besten Fall organisatorischen Aufwand im Hintergrund abnehmen. Dazu gehören häufig vor allem folgende Fragen: Wer macht gerade was? Wann ist unser nächstes Treffen? Wo finde ich passende Lernmaterialien? Wie kann ich schnell eine Frage an den methodischen Begleiter stellen?
Die Nutzung von unternehmensinternen Tools und Methoden für das gesamte Lernprojekt.
Die Nutzung von spezifischen Tools und Methoden, die explizit für das agile Lernen im Unternehmen entwickelt wurden.
Eine Mischung der beiden Ansätze hat sich in der Praxis als schwierig herausgestellt, da gerade im Bereich der Nutzung digitaler Tools die Kompatibilität und Übertragbarkeit der Daten zwischen den genutzten Anwendungen zentral für die Benutzerfreundlichkeit ist. Bei einer Mischung von externen und internen Tools leidet die Benutzerfreundlichkeit häufig schnell, da zum Beispiel Dokumente oder Aufgaben nicht einfach von der einen Anwendung in die andere übernommen werden können.
Darüber hinaus sollte eine Möglichkeit für den Rückzug und die Konzentration auf das Lernprojekt eingerichtet werden. Am einfachsten kann dies durch einen physischen Projektraum erreicht werden, aber auch digitale Räume, wie sie durch Webmeeting-Tools zur Verfügung gestellt werden, können dabei helfen sich in der Gruppe auszutauschen.
In der Folge werden für die wichtigsten Bedarfe einige Lösungsoptionen vorgestellt, die explizit für den Einsatz in agilen Lernprojekten ausgewählt oder angepasst wurden. Auf welche Lösungen zurückgegriffen wird, ist dabei in höchstem Maße zielgruppenabhängig, da die Kompetenz im Umgang mit den Methoden und Tools zentral über deren Nutzwert im Lernprojekt entscheidet. Die Lösungen müssen auf das agile Lernprojekt, aufeinander und auf die Zielgruppe abgestimmt sein.
14.1 Austauschplattform: Mattermost und Slack
Im Verlauf eines agilen Lernprojektes gibt es in der Regel Phasen der Einzel- und Gruppenarbeit. Vor allem bei verteilten Aufgaben und dem Austausch von Zwischenschritten ist es sinnvoll, eine zentrale Plattform einzurichten, die als Sammelbecken für die relevanten Dateien des Lernprojekts dient und Möglichkeiten zur effizienten Kommunikation schafft. Diese sollte auch Externen einen Zugang ermöglichen, wenn diese im Lernprojekt beteiligt sind. Wenn hier auf ein unternehmensinternes System zurückgegriffen wird, sollte vorab geprüft werden ob wirklich alle Teilnehmenden – also auch die methodischen und fachlichen Begleiter – auf das System zugreifen können und ob zumindest ein Großteil der Beteiligten in der Nutzung des Systems geübt ist.
Ein weiterer Vorteil dieser Plattformen ist, dass sie bereits Smartphone- und Desktop-Anwendungen für die meisten Systeme anbieten, welche eine zuverlässige und einstellbare Benachrichtungsfunktion ermöglichen. Speziell im Fall der OpenSource Anwendung „Mattermost“ kann zudem auf ein DSGVO-konformes Tool zurückgegriffen werden, welches auch auf firmeninternen Servern gehostet werden kann.
Zusätzlich können mit den Teilnehmenden Direktnachrichten ausgetauscht werden und über spezielle Integrationen auch Updates über die Aufgabenbearbeitung in den gängigen Kanban-Tools integriert werden. Dies ermöglicht es, ein Sammelbecken für alle Informationen des agilen Lernprojektes zu schaffen und erleichtert es den Lernenden, die Übersicht zu behalten. Für letzteres ist es zusätzlich entscheidend, eine gute Suchfunktion in der eingesetzten Anwendung zu implementieren.
14.2 Aufgabenkoordination: Kanboard mit AgileLearning Plugin
Der Begriff des Kanban-Boards kommt aus dem Konzept der Lean Production und hat sich als eine Form der Projektorganisation etabliert. Kanban (jap. Karte) ist eine Möglichkeit, die Arbeit an komplexen Aufgabengruppen in Teilaufgaben aufzuteilen und zu visualisieren. Das Prinzip eignet sich gut für agile Lernprojekte, da zu Beginn des Projektes nicht immer alle Aufgaben bekannt sind und Priorisierungen sich häufig ändern können. Ein Kanban-Board kann physisch oder digital aufgesetzt werden. Es besteht in seiner einfachsten Forma aus drei Spalten, in denen die Aufgaben organisiert werden (To Do, In Progress, Done).
Wenn mit einem analogen Kanban-Board gearbeitet wird, sollte dafür Sorge getragen werden, dass dieses allen Teammitgliedern leicht zugänglich ist und regelmäßig aktualisiert wird. Falls die Lernenden räumlich sehr nah beieinander arbeiten, hat sich das analoge Kanban-Board als besonders vorteilhaft erwiesen. Wenn der Status der Aufgaben nicht „im Vorbeigehen“ kenntlich ist, sollten regelmäßig kurze Meetings (ca. 15 Minuten) zwischen den Teammitgliedern durchgeführt werden, um alle Beteiligten über den Status der Bearbeitung zu informieren. Ein analoges Kanban-Board folgt damit einem Pull-Prinzip, denn die Teammitglieder müssen sich eigenständig informieren, da es keine Benachrichtigungsfunktion bei einer Statusänderung gibt.
Eine Alternative zum analogen ist die Nutzung eines digitalen Kanban-Boards. Ein zentraler Vorteil des digitalen Kanban-Boards ist die Möglichkeit einer automatisierten Benachrichtigung bei einem Statuswechsel von Aufgaben. Zudem können in den meisten Anwendungen Kommentare zum Status hinterlassen und Zwischenstände in Form von Dokumenten zu den Aufgaben hochgeladen werden.
Räumlich verteilte Teams sollten in jedem Fall digitale Kanban-Boards nutzen. In einigen agilen Lernprojekten wurde zu diesem Zweck die OpenSource Software „Kanboard“ um das AgileLearning Plugin erweitert, welches für den Einsatz in agilen Lernprojekten programmiert wurde. In dieser Variante können Lern- und Arbeitsaufgaben gleichberechtigt nebeneinander dargestellt werden und die fachlichen oder methodischen Begleiter können neue Selbstlernmaterialien direkt in das Kanban-Board einbinden.
14.3 Selbstlernmaterial: Lernkarten
Schnelle Orientierung über den Inhalt und die möglichen Ergebnisse nach der Beschäftigung mit dem Material,
Bearbeitung in einem überschaubaren Zeitrahmen (ca. 30 Minuten), da das Lernen immer neben der Arbeit und häufig „zwischendurch“ stattfindet,
handlungsorientiert, um die konkrete Erprobung einer Methode oder einer Lösung direkt im eigenen Arbeitskontext zu ermöglichen.
Bestehende Selbstlernmaterialien erfüllen diesen Zweck häufig nur bedingt, da sie in einen curricularen Ablauf (z. B. in Kursstrukturen) eingebunden sind, nicht unabhängig voneinander bearbeitet werden können und einen Fokus auf die Vermittlung von Wissen und nicht auf die konkrete Übersetzung, Anwendung und Erprobung im Arbeitskontext legen. Agile Lernprojekte verfolgen einen problem- und handlungsorientierten Lernansatz, der eine andere Form von Lernmaterialien benötigt, um eine wirksame Unterstützung für die Lernenden darzustellen.
Das Lernkarten-Format wurde speziell für diesen Einsatzzweck entwickelt. Die Lernkarten sind nach Anlässen aus dem Arbeitskontext (Trigger) sortiert und bieten eine schnelle Übersicht über die möglichen Transferergebnisse für den eigenen Arbeitskontext (Outcomes). In jede Lernkarte wird eine direkte Transferaufgabe für den eigenen Arbeitskontext eingebunden, die es den Lernenden erlaubt, neues Wissen direkt einzusetzen. Die Transferaufgabe kann zudem mit Akzeptanzkriterien belegt werden, die es einem fachlichen Begleiter ermöglichen, nach der Bearbeitung eine Entscheidung über die Qualität der Lösung zu treffen und den Lernenden damit konstruktives Feedback zu geben.
Jede Lernkarte ist in sich abgeschlossen und kann als modulare Einheiten in verschiedene Lernprojekte anlassbezogen eingebunden werden. Somit muss nicht für jedes Lernprojekt eine Menge an neuen Lernkarten erstellt werden. Im Gegenteil können häufig bestehende Lernkarten einfach ergänzt oder mit anderen kombiniert werden, wenn ein neuer Arbeitsanlass dies erfordert. Als Entscheidungskriterium für die Erstellung neuer Lernkarten dient die Orientierung an den Arbeitsanlässen und Bedarfen, die durch erfahrene fachliche Begleiter formuliert werden. Der zeitliche Umfang der Bearbeitung einer Lernkarte beträgt in etwa 30 Minuten und ist damit für eine flexible Integration in den Arbeitsalltag ausgelegt.
In der Regel werden die Lernkarten zusätzlich mit Kompetenzen verschlagwortet. Auf diese Weise wird für die Lernenden sichtbar, für welche Anwendungsfelder eine Bearbeitung der Lernkarten eine Kompetenzentwicklung unterstützen kann. Eine Auswahl verschiedener Lernkarten zu unterschiedlichen Themenfeldern kann unter einer CC-BY-SA Lizenz auf der folgenden Seite gefunden und weiterverwendet werden: https://academy.agile-learning.eu
14.4 Kriterien zur Auswahl des Support Systems
Welche Methoden, Tools oder Systeme für die Begleitung eines agilen Lernprojekts am besten geeignet sind, muss im Einzelfall entschieden werden und hängt von vielen Rahmenbedingungen ab. In der Folge werden einige zentrale Entscheidungskriterien kurz erläutert.
Vollständigkeit
Müssen alle Lernenden alle Aufgaben bearbeiten?
Im Gegensatz zu klassischen Kursangeboten oder gar Studiengängen bietet das agile Lernen ein Rahmenkonzept für ein bedarfsorientiertes und anwendungsbezogenes Lernen. Dieser Anspruch an die konkrete Anwendungsorientierung geht häufig auf Kosten der Vollständigkeit. So wird in einem agilen Lernprojekt die Themenauswahl für eine Etappe nicht aufgrund eines vorgefertigten Curriculums entschieden, sondern sie richtet sich nach den aktuellen Herausforderungen im Arbeitsalltag und im Besonderen für den jeweiligen Teilnehmenden.
Bestimmte Themenfelder machen es jedoch nötig, dass jeder einzelne Teilnehmende alle Aufgaben oder Bereiche eines Themenfeldes bearbeitet hat. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die Teilnehmenden eine Zertifizierung ihrer Weiterbildung anstreben oder das Themenfeld an sich eine vollständige Bearbeitung erfordert. Soll beispielsweise ein Personenkreis in der umfassenden Nutzung einer Software weitergebildet werden, ist es wünschenswert, dass alle Teilnehmenden über alle Aspekte des Themenbereichs Bescheid wissen.
Ist die Vollständigkeit der Lerninhalte ein entscheidendes Kriterium, sollte besonderer Wert auf die gewissenhafte Vorbereitung, Auswahl und Prüfung von Selbstlernmaterialien gelegt werden (Einbindung von Wissensprüfungen, Selbsttests o. ä.). Der Auftraggeber bzw. fachliche Begleiter wird in diesem Kontext ebenfalls in besonderem Maß zur Qualitätssicherung benötigt und bestimmte Aufgaben müssen im Gegensatz zu „freieren“ Lernprojekten nicht nur von allen Teilnehmenden bearbeitet, sondern auch vom fachlichen Begleiter abgenommen werden.
Dokumentierbarkeit
Wie gut muss der Lernprozess nachvollzogen werden können?
Für bestimmte Anwendungsszenarien müssen die Lernfortschritte der Teilnehmenden möglichst individuell dokumentiert werden und nachvollziehbar sein. Dies ist vor allem der Fall, wenn für die Teilnahme am Lernprojekt ein Zertifikat vergeben werden soll. Die Kriterien für die Zertifizierung hängen dabei stark von der zertifizierenden Institution ab. Wird das agile Lernprojekt von einer Hochschulinstitution begleitet und zertifiziert, müssen häufig sowohl die erbrachten Stunden als auch die bearbeiteten Themen eindeutig zuzuordnen und klar mit einem Arbeits- und Lernergebnis verknüpfbar sein. Aber auch für die unternehmensinterne Zertifizierung werden häufig gut dokumentierte, überprüfbare Lernergebnisse eingefordert, damit eine Zertifizierung erfolgen kann.
In diesen Fällen sollte das Aufgabenmanagement zur Erleichterung der Zeiterfassung und der Zuordnung der einzelnen Beiträge im besten Fall über ein digitales System (wie eine digitale Kanban-Anwendung) erfolgen, da diese Systeme die Zeiterfassung und Aufgabenzuordnung mit relativ wenig Aufwand erlauben. Zudem sollte die Bearbeitung von Selbstlernmaterialien individuell zuzuordnen und mit einem überprüfbaren Ergebnis verknüpfbar sein. Das Lernkartenformat bietet dafür zum Beispiel die Möglichkeit, die Transferaufgaben mit Akzeptanzkriterien zu belegen, zur Lernzielüberprüfung zu exportieren und zu dokumentieren (siehe zum Beispiel die Transferaufgabe in https://academy.agile-learning.eu/lcard/time-boxing-methode/). Eine zusätzliche Dokumentation der Zwischenschritte und der Kommunikation auf der eingesetzten Austauschplattform kann hier ebenfalls hilfreich sein.
Wiederholbarkeit
Soll eine Lernprojekt-Vorlage geschaffen werden, die von weiteren Gruppen durchlaufen werden kann?
Agile Lernprojekte eignen sich u. a. sehr gut dafür, eine Mitarbeitergruppe in der Anwendung einer neuen Software oder in der Aneignung eines neuen Prozesses zu begleiten und deren Erprobung in einer begleiteten Testphase einzuüben. Damit das agile Lernen seine Vorteile entfalten kann, ist es jedoch notwendig, die Teilnehmerzahl zu begrenzen. Eine Gruppengröße zwischen drei und acht Personen hat sich bisher bewährt. Häufig müssen jedoch größere Mitarbeitergruppen in demselben Themenfeld geschult werden. In diesen Fällen sollte ein besonderes Augenmerk auf die Wiederholbarkeit des Lernprojekts und auf die Einsparpotenziale bei weiteren Durchläufen gelegt werden.
Ist bereits im Vorfeld bekannt, dass ein Lernprojekt für seine Wiederholbarkeit optimiert werden soll, ist es sinnvoll mehr Ressourcen in die Erstellung und Anpassung passgenauer Selbstlernmaterialien sowie in die Formulierung der Lernaufgaben selbst zu legen. Diese lassen sich im Verlauf der Lernprojekte durch die Rückmeldungen der Teilnehmenden anpassen und optimieren. In vielen Anwendungsfällen entsteht durch dieses Vorgehen eine Dokumentation, die auch für andere Anwendungsfälle im Unternehmen genutzt werden kann. So können die entstandenen Materialien eine problem- und anwendungsbezogene Dokumentation für die Anwendung einer Software sein, eine bestehende Prozessdokumentation ergänzen oder für standortspezifische Rahmenbedingungen erweitern.
Medienkompetenz der Beteiligten
Wie geübt sind die Teilnehmenden in der Nutzung von digitalen Anwendungen?
Werden die Tools im Arbeitsalltag des Unternehmens bereits aktiv eingesetzt und „gelebt“?
Wie geübt sind die Teilnehmenden in der Anwendung der geplanten Tools?
Gibt es bereits Schulungen, die im Vorfeld zur Nutzung der Tools durchgeführt werden sollen/können?
Ist die Nutzung der Tools auch für Externe möglich, wenn diese in dem Projekt eine Rolle übernehmen sollen?
Gibt es analoge Alternativen, die denselben Zweck erfüllen und einfacher eingesetzt werden können?
Löst das angedachte digitale Tool ein Problem des Lernteams, ohne neue zu produzieren?
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