Welche Methoden, Tools oder Systeme für die Begleitung eines agilen Lernprojekts am besten geeignet sind, muss im Einzelfall entschieden werden und hängt von vielen Rahmenbedingungen ab. In der Folge werden einige zentrale Entscheidungskriterien kurz erläutert.
Müssen alle Lernenden alle Aufgaben bearbeiten?
Im Gegensatz zu klassischen Kursangeboten oder gar Studiengängen bietet das agile Lernen ein Rahmenkonzept für ein bedarfsorientiertes und anwendungsbezogenes Lernen. Dieser Anspruch an die konkrete Anwendungsorientierung geht häufig auf Kosten der Vollständigkeit. So wird in einem agilen Lernprojekt die Themenauswahl für eine Etappe nicht aufgrund eines vorgefertigten Curriculums entschieden, sondern sie richtet sich nach den aktuellen Herausforderungen im Arbeitsalltag und im Besonderen für den jeweiligen Teilnehmenden.
Bestimmte Themenfelder machen es jedoch nötig, dass jeder einzelne Teilnehmende alle Aufgaben oder Bereiche eines Themenfeldes bearbeitet hat. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die Teilnehmenden eine Zertifizierung ihrer Weiterbildung anstreben oder das Themenfeld an sich eine vollständige Bearbeitung erfordert. Soll beispielsweise ein Personenkreis in der umfassenden Nutzung einer Software weitergebildet werden, ist es wünschenswert, dass alle Teilnehmenden über alle Aspekte des Themenbereichs Bescheid wissen.
Ist die Vollständigkeit der Lerninhalte ein entscheidendes Kriterium, sollte besonderer Wert auf die gewissenhafte Vorbereitung, Auswahl und Prüfung von Selbstlernmaterialien gelegt werden (Einbindung von Wissensprüfungen, Selbsttests o. ä.). Der Auftraggeber bzw. fachliche Begleiter wird in diesem Kontext ebenfalls in besonderem Maß zur Qualitätssicherung benötigt und bestimmte Aufgaben müssen im Gegensatz zu „freieren“ Lernprojekten nicht nur von allen Teilnehmenden bearbeitet, sondern auch vom fachlichen Begleiter abgenommen werden.
Wie gut muss der Lernprozess nachvollzogen werden können?
Für bestimmte Anwendungsszenarien müssen die Lernfortschritte der Teilnehmenden möglichst individuell dokumentiert werden und nachvollziehbar sein. Dies ist vor allem der Fall, wenn für die Teilnahme am Lernprojekt ein Zertifikat vergeben werden soll. Die Kriterien für die Zertifizierung hängen dabei stark von der zertifizierenden Institution ab. Wird das agile Lernprojekt von einer Hochschulinstitution begleitet und zertifiziert, müssen häufig sowohl die erbrachten Stunden als auch die bearbeiteten Themen eindeutig zuzuordnen und klar mit einem Arbeits- und Lernergebnis verknüpfbar sein. Aber auch für die unternehmensinterne Zertifizierung werden häufig gut dokumentierte, überprüfbare Lernergebnisse eingefordert, damit eine Zertifizierung erfolgen kann.
In diesen Fällen sollte das Aufgabenmanagement zur Erleichterung der Zeiterfassung und der Zuordnung der einzelnen Beiträge im besten Fall über ein digitales System (wie eine digitale Kanban-Anwendung) erfolgen, da diese Systeme die Zeiterfassung und Aufgabenzuordnung mit relativ wenig Aufwand erlauben. Zudem sollte die Bearbeitung von Selbstlernmaterialien individuell zuzuordnen und mit einem überprüfbaren Ergebnis verknüpfbar sein. Das Lernkartenformat bietet dafür zum Beispiel die Möglichkeit, die Transferaufgaben mit Akzeptanzkriterien zu belegen, zur Lernzielüberprüfung zu exportieren und zu dokumentieren (siehe zum Beispiel die Transferaufgabe in https://academy.agile-learning.eu/lcard/time-boxing-methode/). Eine zusätzliche Dokumentation der Zwischenschritte und der Kommunikation auf der eingesetzten Austauschplattform kann hier ebenfalls hilfreich sein.
Soll eine Lernprojekt-Vorlage geschaffen werden, die von weiteren Gruppen durchlaufen werden kann?
Agile Lernprojekte eignen sich u. a. sehr gut dafür, eine Mitarbeitergruppe in der Anwendung einer neuen Software oder in der Aneignung eines neuen Prozesses zu begleiten und deren Erprobung in einer begleiteten Testphase einzuüben. Damit das agile Lernen seine Vorteile entfalten kann, ist es jedoch notwendig, die Teilnehmerzahl zu begrenzen. Eine Gruppengröße zwischen drei und acht Personen hat sich bisher bewährt. Häufig müssen jedoch größere Mitarbeitergruppen in demselben Themenfeld geschult werden. In diesen Fällen sollte ein besonderes Augenmerk auf die Wiederholbarkeit des Lernprojekts und auf die Einsparpotenziale bei weiteren Durchläufen gelegt werden.
Ist bereits im Vorfeld bekannt, dass ein Lernprojekt für seine Wiederholbarkeit optimiert werden soll, ist es sinnvoll mehr Ressourcen in die Erstellung und Anpassung passgenauer Selbstlernmaterialien sowie in die Formulierung der Lernaufgaben selbst zu legen. Diese lassen sich im Verlauf der Lernprojekte durch die Rückmeldungen der Teilnehmenden anpassen und optimieren. In vielen Anwendungsfällen entsteht durch dieses Vorgehen eine Dokumentation, die auch für andere Anwendungsfälle im Unternehmen genutzt werden kann. So können die entstandenen Materialien eine problem- und anwendungsbezogene Dokumentation für die Anwendung einer Software sein, eine bestehende Prozessdokumentation ergänzen oder für standortspezifische Rahmenbedingungen erweitern.
Wie geübt sind die Teilnehmenden in der Nutzung von digitalen Anwendungen?
Werden die Tools im Arbeitsalltag des Unternehmens bereits aktiv eingesetzt und „gelebt“?
Wie geübt sind die Teilnehmenden in der Anwendung der geplanten Tools?
Gibt es bereits Schulungen, die im Vorfeld zur Nutzung der Tools durchgeführt werden sollen/können?
Ist die Nutzung der Tools auch für Externe möglich, wenn diese in dem Projekt eine Rolle übernehmen sollen?
Gibt es analoge Alternativen, die denselben Zweck erfüllen und einfacher eingesetzt werden können?
Löst das angedachte digitale Tool ein Problem des Lernteams, ohne neue zu produzieren?
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